PENTAX AUTO 110

DAS KLEINE GENIE


Die 1980er-Jahre sollten eine aufregende Zeit mit dem Motorrad werden. Auf den Touren quer durch Europa war aber wegen chronischen Platzmangels ein gut durchdachtes Kameraequipment unumgänglich. Damals wurde ich stolzer Besitzer einer PENTAX auto 110, der kleinsten einäugigen Spiegelreflexkamera der Welt, und damit schon recht gut ausgerüstet für viele wunderbare Motive.


Vielleicht sollte ich vorwegschicken, dass in den 1970er und 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Pocketkameras mit dem von Kodak 1972 erfolgreich auf den Markt gebrachten 110er-Kassettenfilm und einem Bildformat von 13x17 mm einen wahren Boom erlebt hatten. Wegen ihrer durchweg einfachen Bedienung konnten sie schnell an Popularität gewinnen. Es handelte sich dabei meist um recht preiswerte, hauptsächlich aus Kunststoffteilen zusammengesetzte Fotoapparate mit Objektiven, die nur über eine geringe Schärfeleistung verfügten und darum manchmal herabwürdigend als Filmvernichtungsmaschinen bezeichnet wurden.


Wesentlich bessere Bildergebnisse versprachen dem engagierten Amateur hingegen die teuren Pocketkameras, denn sie waren oftmals mit einem höherwertigen mehrlinsigen Objektiv, elektronischen Verschluss (Zeitautomatik) und Mischbild-Entfernungsmesser ausgestattet.

Die anspruchsvolle Pocket-Fotografie, letztlich ein kameratechnischer Irrweg der siebziger Jahre, hatte viele Väter. Ein besonders anspruchsvolles Konzept realisierte Asahi Pentax. Pentax stand damals auf dem Höhepunkt der Miniaturisierungsphase. Nach Art des Hauses fiel auch die im Sommer 1979 vorgestellte Penax auto 110 sehr viel kleiner aus als die technisch ungeheuer aufwendig gebauten Minolta-Pocketkameras mit Zoomobjektiv. Der Verzicht auf ein Vario ermöglichte diese Kompaktheit ebenso wie der Einbau eines programmgesteuerten Zentralverschlusses. Der brillante Sucher ist für eine Kamera dieser Größe ebenso erstaunlich wie die weiche, elektromagnetische Auslösung und das präzise, verhältnismäßig große Bajonett. Mit ihrer Programmautomatik ist die Pentax in Relation zur Größe und zum Einsatzzweck bestens bedient. Immerhin erfolgt die Belichtungsmessung durch das Objektiv über eine Silizium-Fotodiode und der Hinterlinsen-Zentralverschluss realisiert Verschlusszeiten von 1/4 Sekunde bis zu einer vollen Sekunde. Sollte die Verschlusszeit unter einer 30stel Sekunde liegen warnt die gelbe Diode vor dem Verwackeln. Zudem ist die Kamera auch ohne DX-Abtastung in der Lage, die Filmempfindlichkeit zu lesen. Ein Pentaprismensucher und Schnellrückschwingspiegel sind vorhanden, die Entfernungseinstellung wird wahlweise über eine Mattscheibe oder einen zentralen Schnittbildindikator merklich erleichtert.


Das interessanteste an der Pentax 11O sind jedoch die Wechselobjektive: Denn die kleine Spiegelreflex war seinerzeit die erste Kamera für das Format 110, welche den Wechsel von Objektiven über ein Spezialbajonett erlaubte. Damit vereinigte Pentax Kompaktheit und Bedienungsfreundlichkeit des 110er-Kassettenfilms mit den Vorteilen einer SLR für das sonst übliche Kleinbildformat von 24x36 mm. Immerhin standen bei Produktionsende im Jahre 1986 dem Pentax auto 110-Fotografen sechs hochwertige Wechselobjektive zur Verfügung: Alle besitzen die Lichtstärke 2,8, weisen aber keine Blendeneinstellung auf, da diese über den Programmverschluss erledigt wird.


Es gibt Spezialitäten wie das PanFokus-Weitwinkel 18mm, das ohne Scharfeinstellung auskommt und sogar ein Zoom 20 bis 40 mm, entsprechend etwa 40 bis 90 mm Brennweite beim Kleinbild. Zum normalen Repertoire zählt ein 24 mm Normalobjektiv, entsprechend 50 mm beim Kleinbild, ein 18 mm-Weitwinkel (35 mm), ein 50 mm (100 mm) und ein 70 mm, das in etwa dem 135 mm Objektiv an der Kleinbildkamera nahe kommt. Objektivdeckel und Bajonettabdeckung wurden jeweils mitgeliefert. Gegenlichtblenden für die Objektivtypen Standard, Weitwinkel und Tele konnten nachbestellt werden. Ein Programm-Blitzgerät, ein Winder und zahlreiche Filter und Nahlinsen runden das auto 11O-System ab.


Trotzdem sprachen viele Interessenten diesem System die Ernsthaftigkeit ab. Das geradezu niedliche Äussere trug ebenso dazu bei wie die umstrittene Pocket-Kassette, die schon aufgrund des kleinen Bildformates gehandicapt war. Hinzu kam ein dem betriebenen technischen Aufwand zwar angemessener, absolut gesehen jedoch recht hoher Preis. Die Kamera-Grundausrüstung kostete etwa 350 DM, der komplette Systemkoffer brachte es auf stattliche 1.000 DM.


Dies alles waren nicht gerade günstige Voraussetzungen für einen Verkaufserfolg. Der stellte sich nicht ein, selbst nachdem die Kamera 1982 dank geringfügiger Verbesserungen wie Selbstauslöser und Gegenlichttaste zur auto 110 super avancierte.


Neben den offensichtlichen Ausstattungsunterschieden gibt es noch ein paar versteckte Änderungen. Die Charakteristik der Programm-Automatik wurde von der Verschlusszeitenpriorität in Richtung Blendenpriorität variiert und der elektromagnetische Auslöser der 110 super senkte die Verwacklungsgefahr.


Diese Modifikationen halfen jedoch nicht, den Abwärtstrend der Kamera in den Verkaufszahlen zu stoppen. Im Gegenteil, Pocketkameras gerieten völlig aus der Mode. Wer jedoch damals den Mut hatte zuzugreifen, bereut es heute wohl nicht, denn die Kameraausrüstung hat zumindest ihren Wert behalten, und eine Steigerung ist durchaus denkbar.


Der interessierte Sammler sollte noch wissen, dass es von einer Pentax auto 110 unterschiedliche Ausführungen gab.


Üblich war neben der auto 110 auch bei der auto 110 Super ein schwarzes Gehäuse. Von der auto 110 wurde in geringer Stückzahl auch eine safaribraune Version angeboten. Diese ist heute entsprechend gesucht, die dazugehörige Weichtasche wurde aus hellbraunem Wildleder gefertigt. Ebenfalls sehr selten ist die transparente Pentax ergänzt durch ein oder mehrere Wechselobjektive, einen Winder und/oder dem Computerblitzgerät sowie einigem Kleinzubehör, was dann verständlicherweise den eigentlichen Angebotspreis erhöht.


Die Pentax auto 110 stellte schon alleine wegen ihrer ungewöhnlichen Kompaktheit eine kleine Sensation dar. Darüber hinaus war ein automatischer Filmtransport von einem Bild in der Sekunde mit gleichzeitigem Spannen des Verschlusses möglich und insbesondere der seinerzeit als 110er-Kassettenfilm lieferbare Kodachrome 64 bot dann auch eine durchaus passable Bildqualität.


Das früher sehr beliebte Pocketformat hat heute keine Bedeutung mehr. Schwachpunkt war schon immer die ganz einfach in die Kamera einlegbare Filmkassette, welche leider eine mangelhafte Planlage des Films bewirken konnte. Ausserdem wurde das Filmangebot bezüglich der möglichen Filmtypen nie besonders breit abgedeckt und es war im Vergleich zum Kleinbildformat eher beschränkt. Zudem bestanden deutliche Grenzen bei der Vergrößerungsfähigkeit der Aufnahmen durch die Körnigkeit bzw. Auflösung des vorhandenen Films. Heutzutage werden so gut wie keine Pocketfilme mehr angeboten.


Letztlich erging es der Pentax auto 110 nicht anders als vielen gesuchten Raritäten: Erst Jahre nach ihrem Auslaufen erkannten Sammler ihren wirklichen Wert. Der posthume Ruhm kommt nicht von ungefähr, schliesslich handelt es sich bei ihr um eine echte Systemkamera für das Kassettenformat 13x17 mm.

PLAUBEL

MAKINA

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